Was sind samenfeste Sorten?

Alles, was wir essen, ist gezüchtet. Wir essen nur ganz selten noch Pflanzen oder Tiere, die sich in dieser Form natürlich entwickelt haben. Fast alles ist über lange Zeit vom Menschen gezielt kultiviert und nach Kriterien wie Ertrag, Aussehen und Geschmack selektiert worden.

So sind fast alle Kohlsorten miteinander kreuzbar. Ein Kohlrabi und ein Rosenkohl unterscheiden sich nur, weil sie über viele Generationen hinweg voneinander isoliert vermehrt und auf bestimmte Merkmale hin ausgelesen worden sind.

Bei der Züchtung kommen inzwischen unterschiedliche Methoden zum Einsatz. Zwischen Wildpflanze und Gentechnik gibt es eine große Bandbreite unterschiedlicher Methoden.

Durch klassische Züchtung entstehen samenfeste Sorten. Hierbei werden Pflanzensorten über lange Zeit gezielt ausgelesen. Pflanzen, die bestimmte gewünschte Merkmale aufweisen, werden zur Vermehrung genutzt, alle übrigen dagegen nicht, sie werden selektiert. Die so gewonnen Samen können einfach eingepflanzt und die resultierenden Pflanzen weiter selektiert oder zur Vermehrung des Saatguts eingesetzt werden. Die entstehende Sorte ist stabil, solange das Saatgut reproduziert wird.

In der industriellen Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft sind unsere Ansprüche an Pflanzen aber oft über die Möglichkeiten dieser traditionellen Züchtung hinausgewachsen. Insbesondere die Lieferung großer Mengen in kurzer Zeit mit möglichst gleichförmigen Produkten bringt bei Ernte und Verarbeitung Kostenvorteile. Pflanzen sollen verlässlich gleich aussehen, gleich schnell wachsen, gleich schmecken und die gleichen Inhaltsstoffe haben.

Dies wird gewährleistet durch die Hybridzucht. Zwei Sorten werden hier extrem auf Inzucht gezüchtet. Werden diese beiden Sorten dann gekreuzt, entsteht eine sogenannte F1-Generation. Die Pflanzen dieser Generation sind sehr gleichförmig und meist sehr ertragsstark. F1-Hybriden sind nicht unfruchtbar, wie oft behauptet wird; doch vermehrt man sie weiter, spalten sich ihre Merkmale wieder auf, und man hat ein riesiges Chaos auf dem Acker. Sprich, nur die F1 ist anbautauglich, der Landwirt kann daraus nicht sinnvoll weiter züchten.

An Hybridzüchtung gibt es erhebliche Kritik, da sie mit Methoden arbeitet, die in der Natur so praktisch nie vorkommen. Zudem beinhaltet sie ein inoffizielles Patent, da der Landwirt nicht nachbauen kann und sein Saatgut jedes Jahr vom Züchterbetrieb nachkaufen muss. Diese Betriebe wiederum sind praktisch immer eine handvoll multinationaler Konzerne.

Die Hybridzucht hat bei vielen Kulturen außerdem eine technische Schwierigkeit. Sie funktioniert nur, wenn die zwei Ausgangslinien (z. B. A und B) sich miteinander verkreuzen. Lasse ich aber Pflanzen der Linie A mit denen der Linie B zusammen blühen, können auch A-Pflanzen andere A-Pflanzen und B-Pflanzen andere B-Pflanzen bestäuben. Um das zu verhindern, gibt es die Technik der CMS-Hybriden. (CMS=cytoplasmatische maskuline Sterilität). Dabei wird eine der beiden Linien männlich unfruchtbar gemacht. Dabei wird Zellplasma (=Cytoplasma) von bestimmten Pflanzen verwendet, die von natur aus männlich unfruchtbar sind. Die Information zur Unfruchtbarkeit wird hier mit dem Plasma weitergegeben, nicht mit der DNA. Dieses Plasma der Fremdzellen wird nun mit dem Plasma (der Zellsubstanz) der Zielsorte vereinigt und so die Information übertragen, dass die Pflanze keine männlichen Blüten ausbilden soll. Die Individuen dieser Linie können also nur von der anderen Linie bestäubt worden sein.

Bei der CMS-Technik wird also eine Erbinformation technisch übertragen, die aber nicht in der DNA, sondern im Zellplasma gespeichert ist. Da die DNA hier nicht angetastet wird, gilt dieses Verfahren nicht als Gentechnik – eine durchaus umstrittene und definitonsabhängige Einordnung.

Jenseits des Bio-Landbaus gibt es z.B. beim Kohl und vielen anderen Kulturen fast nur noch CMS-Hybriden auf dem Markt. 

Am Ende des Spektrums steht die Gentechnik, bei der auf unterschiedliche Weise direkt in das Erbgut einer Pflanze eingegriffen wird. Das wohl bekannteste Beispiel sind Roundup Ready Sojabohnen, Mais, Zuckerrüben, Baumwolle und Alfalfa der Firma Monsanto, die inzwischen zum deutschen Konzern Bayer gehört. Sie nutzen die DNA bestimmter Mikroorganismen, um Pflanzen gegen das Pflanzengift Glyphosat immun zu machen. So können Landwirte große Mengen Glyphosat, welches ebenfalls durch Monsanto verkauft wird, zur Unkrautbekämpfung einsetzen, ohne ihre Feldfrüchte zu gefährden.

Diese Art der Genmanipulation ist gerade in Deutschland und der EU sehr kontrovers. Der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen ist in Europa stark reguliert, gerade als Futtermittel in der konventionellen Viehhaltung aber dennoch weit verbreitet. Wo genau aber die Grenze zwischen Gentechnik und anderen Methoden zu ziehen ist, ist selbst unter Akteuren des ökologischen Landbaus zum Teil umstritten.

Wie ist das alles zu bewerten?

Die Diskussion um die Möglichkeiten und Risiken der Gentechnik und aller Übergangsverfahren ist komplex und wird teilweise sehr emotional und verhärtet geführt. Letztlich obliegt es neben den gesetzlichen Regelungen auch Landwirten und dem einzelnen Verbraucher, Grenzen zu setzen.

Die Hybridzüchtung und insbesondere die CMS-Züchtung dominieren heute die Lebensmittelwirtschaft. Auch im Biobereich sind Hybriden noch weit verbreitet; selbst beim konsequentesten Anbauverband Demeter ist der Verzicht auf Hybriden lediglich eine Soll-Regel, keine Muss-Regel. CMS-Hybriden wurden ursprünglich nur von den privaten Bioverbänden geächtet; inzwischen sind sie auch nach der allgemeinen Bio-Verordnung der EU nicht mehr bei Bio-Lebensmitteln nicht mehr zugelassen.

Für mich persönlich ist die Grenze da, wo aus rein wirtschaftlichen Erwägungen massiv technisch in das Erbgut der Pflanzen eingegriffen wird und mit nicht naturnahen Methoden gezüchtet wird. Medizinisch können solche Eingriffe einen Nutzen haben; der Blick auf die reine Wirtschaftlichkeit geht mir zu sehr an den Lebensprozessen vorbei, was ich gerade im Lebensmittelbereich hinterfragenswert finde.

Ich persönlich ziehe, wo immer möglich, die Grenze bei der traditionellen Züchtung. Ich baue also, wo immer es geht, ausschließlich samenfeste Sorten an. Gar nicht so einfach, da dies den Sortenmarkt sehr einengt. Selbst bei den Bio-Jungpflanzenunternehmen ist es nicht leicht, zuverlässig samenfeste Sorten zu bekommen. Für mich ein Argument für die eigene Anzucht.

Unser Anbauplan sieht für 2022 daher fast ausschließlich samenfeste Sorten vor. Ausnahmen gibt es da, wo Sorten bisher rein hybrid gezüchtet wurden – etwa bei großen Rettichen, Romanesco und Pfefferminze. Auch beim Zukauf von Jungpflanzen (vor allem die frühesten Sätze) kann ich nicht garantieren, dass nicht Hybriden mit reinrutschen. Ansonsten aber setze ich voll auf samenfest – sogar bei Kulturen wie Brokkoli oder Rosenkohl, wo erst seit Kurzem halbwegs stabile samenfeste Sorten existieren, die im Erwerbsanbau noch kaum angekommen sind. Durch ihre Nutzung fördern wir auch die weitere Entwicklung dieser Sorten.


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